Ausstellungsansicht PLACE OF HELLO, 2020, Yuki Yamamoto

Interview mit Yuki Yamamoto

13.12.2020

Interview mit Yuki Yamamoto

Kannst du etwas über das Konzept dieser Ausstellung in Hamburg erzählen?
 
Im Grunde bin ich dem bisherigen Konzept gefolgt. Welche gültigen und ungültigen Kreise oder welche Schichten mit welchen Schichten in Beziehung treten, oder keine Beziehung haben. Und wenn sich die Kreise überlappen, welche Kreise erodieren die anderen? Oder wie verändern sich die Farben? Als ob die Kreise von einer Hierarchie zu einer anderen rübergehen, überlappen sich die einzelnen Kreise und reagieren individuell. Ich möchte dadurch eine Situation erschaffen, in der Ordnung und Chaos koexistieren. Kein bloßes Koexistieren, sondern ein mit positiver Energie geladenes Koexistieren, in dem das Streben nach Schönheit erhalten bleibt, auch wenn etwas Ungerechtes passiert.
 
Der vollkommene Kreis ist das Hauptmotiv deiner Arbeiten. Aus seiner Wiederholung und Differenz (in Größe, Farbigkeit und Transparenz) entstehen die malerischen Kompositionen. Ein ähnliches Arbeitsprinzip nutzen auch Komponisten beim Schreiben eines Musikstücks. Spielt Musik für die Deutung sowie Herstellung deiner Arbeiten eine Rolle? 

Ich höre meistens Musik, wenn ich im meinem Atelier arbeite und ich gehe auch oft alleine zum Karaoke. Ich liebe es, Töne mit Instrumenten wie Gitarre oder Flöte zu erzeugen, auch wenn ich sehr schlecht darin bin. Aber direkt aus einem Musikstück heraus Werke erstellt habe ich noch nie.
 
Aber wie Sie erwähnen, gibt es bestimmt solche Parallelen zu Musik, und das kann beim Betrachten meiner Bilder Denkanstöße geben. Ich selbst habe beim Malen nicht bewusst an Musik gedacht, aber ich möchte generell, dass meinen Werken möglichst viele Dinge zugewiesen werden können.
 
Dazu fällt mir eines ein: Manchmal bekomme ich das Bedürfnis, Filme zu machen, aber eine der Eigenschaften, die mir widerstreben, ist das Vorhandensein einer Zeitachse (auch wenn es ein Loop ist) , also das Vorhandensein von Anfang und Ende. Auch Musik hat eine Zeitachse. Bei der Malerei gerät die Zeitachse auf der flachen Fläche durcheinander und man kann das Gesamtbild auf einen Blick erfassen. Außerdem kann der Betrachter anfangen zu betrachten, wann er will und wie lange er will. Unter anderem lassen mir diese wohldosierten interaktiven Aspekte die Malerei verglichen mit anderen Medien attraktiver erscheinen. Allerdings gibt es bei meinen Arbeiten eine Zeitachse in Form von Schichten. Die unteren Schichten sind aus der Vergangenheit und je höher die Lage der Schicht, desto näher ist sie an der Gegenwart. Mir gefällt es, dass gleichzeitig die Zeitachse zu erahnen ist und das Gesamtbild erfasst werden kann.


Was ist deine Inspirationsquelle? Zum Beispiel bekommt man bei der Betrachtung deiner Werke das Gefühl, dass man in ein Universum versetzt wird.

Gegenwärtig, wo mein Stil relativ stabil ist, sind alle Erfahrungen und Erlebnisse meine Inspirationsquellen.
Früher bestanden die Pfeiler meiner Werke aus den Auseinandersetzungen, mein eigenes Leben und Werk zu vereinen oder aus meinem Interesse an Möglichkeiten des Mediums der Malerei, glaube ich.
Natürlich mochte ich es schon als Kind die Sterne am Himmel zu betrachten. Wenn ich an das Universum denke, fühlt sich es an, als ob ich mich von meiner eigenen unbedeutenden subjektiven Sicht lösen kann - ermöglicht durch diese unvergleichlichen Größenordnungen und Zeitdimensionen oder durch die Vielzahl der Dimensionen, die ja mehr als drei umfassen. Das Schwierige ist, diese Größenordnung des Universums in die Größenordnung von mir selbst zu reduzieren und zu denken. Und wahrzunehmen, dass den alltäglichen Dingen, die mich umgeben, diese Größenordnung des Universums innewohnt.
Apropos Universum, die Darstellung der nahtlosen Verbundenheit des Mikro- und Makrokosmos in dem Film "Powers of Ten" von Charles und Ray Eames, den ich als Student sah, hat mich tief beeindruckt und das bildet immer noch eine der gedanklichen Achsen für mich.
 
Deine Arbeit scheint das Ergebnis intensiven Interesses an Phänomenen der sichtbaren und unsichtbaren Bereiche der Natur zu sein. Gerade Teilbereiche der Physik, man denke an die Quantenphysik oder Forschung zu schwarzen Löchern, spielen dabei eine besondere Rolle. Ist es dir wichtig, dass diese Faszination für den Betrachter deiner Arbeiten sichtbar wird?

Es ist bei meinen Arbeiten wichtig, dass darin unsichtbare Bereiche erfahrbar sind. Für das Gelingen dieses Stils mit den Kreisen war es essentiell, dass ich auf die Idee kam, auch die unsichtbaren, "ungültigen" Kreise einzusetzen. Wie schon erwähnt, hatte ich durch diese Gedanken an die kosmische Größenordnung auch Interesse an Schwarzen Löchern und Dunkler Materie entwickelt und so kam ich darauf, dass solche Dinge auch in meinem direkten Umfeld, zwischen den Menschen und auch im Herzen existieren könnten. Wenn das so ist, müssten entsprechende Elemente auch in meinen Arbeiten zugelassen werden. So kam ich auf die Idee, unsichtbare/ungültige Kreise einzusetzen.
Übrigens besitze ich kein Fachwissen in Physik, also kommen meine Ideen bloß aus populärwissenschaftlichen Büchern und Nachrichten. Einerseits fände ich es spannend, Fachwissen von Spezialisten zu erfahren, aber andererseits finde ich es auch wichtig, mal auch der eigenen Vorstellungskraft Vorrang zu gewähren, die Ideen Flügel verleihen. 


Untitel 2020 acrylic on canvas 30x30 cm


Was für Arbeiten hast du geschaffen, bevor du angefangen hast, dich mit Kreisen zu beschäftigen? Welche Künstler haben dich beeinflusst?

Als ich den Masterstudiengang beendet hatte,  hatte ich schon angefangen, eine Urform der Kreisserie zu entwickeln. Davor experimentierte ich mit aus unbestimmten Formen komponierten, abstrakt gemalten Bildern. Das war mir damals nicht bewusst, aber ich begann immer rundere Formen zu malen. Vor dieser Zeit versuchte ich verschiedenes: Ich malte auf kubischen Körpern, pauste durch Photoshop bearbeitete Bilder ab, benutzte mehrfach farbkopierte Elemente oder experimentierte mit Farbfeldmalerei.
Es gibt viele Künstler, die mich beeinflusst haben. Bei Henri Matisse war ich völlig elektrisiert von dem Reichtum der Farben und dem Raumeindruck in seiner Malerei.
Auf die Idee, transparente Schichten einzusetzen, brachten mich die transparenten Träger von Sigmar Polke. Die Werke und Kritiken von Kenjiro Okazaki haben mich bei meinen Versuchen bestärkt, die Theorie der abstrakten Malerei in Praxis umzusetzen. Ich gehöre zu einer Generation, die unter der Präsenz von sowohl Okazaki als auch Takashi Murakami heranwuchs, also sind Einflüsse von ihnen unvermeidlich. Das Einfallsreichtum, diese Freiheit und Kollaborationen mit anderen Genres bei Rauschenberg verehre ich auch. Man kann nicht alle aufzählen, es gibt noch viele andere, die mich beeinflusst haben.

In dem Text von Benjamin Dodenhoff für deinen Katalog, der dieses Jahr erschienen ist, werden deine Arbeiten in Anspielung auf Josef Albers' Werke "Homage to the Square" als "Homage to the Sphere" bezeichnet, sozusagen als überbordende Mutation der Quadrate von Albers.

Die Darstellung der relativen Beziehungen zwischen den Farben durch "Interaktionen der Farben" von Albers hat mich schon beeinflusst und daher ist der Vergleich für mich eine Ehre. Aber früher habe ich gar nicht verstanden, was an den immergleichen kleinen Quadraten von Albers, die in allen Museen hängen, so gut sein soll. (Lacht) Je länger ich an abstrakten Ausdrücken gearbeitet habe, war ich umso mehr von seiner stoischen Arbeitsweise beeindruckt. Allerdings sind da bei meinen Arbeiten viele unbekümmerte, spielerische Elemente. Die durch Albers' Anordnung der Farben erschaffenen Räume und scheinbare Transparenz bzw. Stringenz verrate ich vielleicht, indem ich auch die transparente Schichten einsetze.
Übrigens finde ich auch interessant, dass in der Entwicklung der Werke von Robert Rauschenberg, der ja ein Schüler von Albers war, ebenfalls Albers‘ Einflüsse und eine Interpretationserweiterung seiner Theorien zu sehen sind.

Wie bist du auf den Ausstellungstitel "Place of Hello" gekommen?

Wegen der aktuellen Weltlage wollte ich keinen schwer klingenden Titel, sondern einen, der nach vorne schaut. Erst hatten wir ja die Befürchtung, dass die Ausstellung gar nicht stattfinden kann. Und leider war es auch nicht möglich, zur Eröffnung nach Deutschland zu fliegen. Deshalb war mein Wunsch, dass die Ausstellung wenigstens ein Ort wird, an dem die Menschen den Werken direkt gegenüberstehen können und die Besucher "Hallo" zueinander sagen können. Außerdem spielen die Beziehungen zueinander auch in meinen Arbeiten eine wichtige Rolle - ich setze die Kreise in Beziehung. Ich dachte: in meinen Arbeiten sagen die Kreise "Hallo" zueinander.  Und die Leichtigkeit des Klangs von "Hallo" passt zu dieser Ausstellung.

Du hast gesagt, dass es diesmal etwa vier Arbeiten geben wird, die neue Variationsmöglichkeiten aufweisen.

Ich habe einen Künstler unseres Gemeinschaftsateliers gebeten, für mich ein Programm zu programmieren, mit dem Farben, Größe und Anordnung der Kreise zufällig bestimmt werden können. Bei einigen Arbeiten für diese Ausstellung habe ich dieses Programm verwendet, um damit verschiedene Kompositionen auszuprobieren. Ich habe aber nicht alles dem Programm überlassen, sondern den Anordnungen, die das Programm ausgespuckt hat, meine Anordnungen hinzugefügt. Ich hatte immer das Bedürfnis, in meine Bilder Elemente einzuführen, die ich nicht selbst kontrollieren kann. Und das mit dem Programm ist ein Versuch, dieses Anliegen in anderer Weise, mit eher unemotionaler Zufälligkeit zu ermöglichen.

Was meinst du genau mit "nicht selbst kontrollierbare Elemente"? Weshalb ist dir diese unemotionale Zufälligkeit in deinen Arbeiten wichtig?

Ich denke,  das "Ich" wird immer in Beziehung zu äußeren Faktoren geformt. Viele dieser äußeren Faktoren tauchen ja unabhängig von "meinem" Willen oder "meiner" Existenz auf. Ewa durch zufällige Begegnungen. Manchmal sind sie für mich "ungerecht" oder etwas, das ich mir nicht gewünscht habe.  Das "Ich" trifft daraufhin Entscheidungen und agiert. Immer wieder. So ist das Leben, denke ich.
Auf der anderen Seite kontrolliere ich ja alles selbst, was auf der Bildfläche passiert, wenn ich male. Wenn in den Bildern zu viel von solchem Selbstbewusstsein oder Ego angehäuft wird, entsteht eine irgendwie verlogene Welt, in der kaum äußere Faktoren vorhanden sind. Deshalb versuche ich mit verschiedenen Mitteln, in meinen Bildern äußere Faktoren einzuführen.

Untitled 2020 acrylic on canvas 41x32 cm


Gibt es andere neue Methoden in der Herstellung außer den genannten Variationen? Und gibt es Punkte, mit denen du immer zu kämpfen hast?

Ich habe auf einer Seite eines Werks Farben und transparenten Lack aufgetragen. Da wollte ich den Eindruck des Bildes verändern, wenn man das Bild nicht von vorne betrachtet. Auch das ist ein Versuch, eine Nicht-Absolutheit oder Relativität in das Werk einzuführen.
Womit ich sonst noch kämpfe ... Ja, die Wahl der Farben ist schwer, immer noch. Und das ist auch das Interessante. Farben auf dem Monitor sehen völlig anders aus als die Farben als reale Masse. Und ja, das Schleifen ist körperlich anstrengend und weil ich nicht sonderlich kräftig bin, ist das Malen sehr anstrengend für mich. (Lacht)

Foto Naoki Wagatsuma
 
Das Werk mit einigen sich überlappenden Kreisen auf dem fast schwarzen, dunklen Hintergrund fanden viele Kunden, die schon deine bisherigen Werke kannten, sehr erfrischend. Was hat dich auf diese Idee gebracht?

Tatsächlich habe ich diese Methode schon einige Male wieder verwendet: Viele transparente Farben werden übereinander geschichtet, sodass fast die ganze Bildfläche dunkel gefärbt wird und nur an den Stellen Farben sichtbar bleiben, wo die Farben verschoben sind.  Weil nur da transparente Farben benutzt werden, entsteht eine visuelle Welt, die mehr Licht in sich trägt. Zu dieser Idee kam ich vielleicht auch daher, dass ich als Student Bilder von Morris Louis Bernstein gesehen habe. Die Schichten der durchgesickerten Farben bei ihm haben mich damals inspiriert.
 
Hat Corona deine Arbeit beeinträchtigt?

Bisher fast gar nicht. Auch nachdem es in Japan seit Februar mehr Infizierte gab, habe ich fast jeden Tag im Studio gearbeitet. Im Gegenteil, gefühlt konnte ich viel konzentrierter arbeiten als in den Jahren davor, gerade weil es viel weniger Gelegenheiten gab, auszugehen oder anderen Aktivitäten nachzugehen. Bei meiner Arbeitsweise spielen Zeitgeist oder Modeerscheinungen keine große Rolle, daher werden sich meine Werke inhaltlich auch in der derzeitigen Lage nicht wirklich groß verändern.
Das neue Coronavirus ist auch nur einer der zahlreichen äußeren Faktoren und wichtig ist, wie "ich mich" angesichts dieser Lage verhalte und wie "ich" weiter leben möchte, auch bei meinen Werken.
So gesehen ist es durchaus möglich, dass diese interessante Anhäufung der Phänomene wie Veränderungen in der zwischenmenschlichen physischen Distanz, Beschränkung der Mobilität oder Eigenschaften der Verbreitung von Viren mittel- und langfristig unter anderem die Anordnung der Kreise in meinen Werken beeinflussen werden.
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