12.09. — 25.10.2014


Certainty / Entropy -
Aiko Tezuka

AIKO TEZUKA 手塚 愛子


Von der Malerei fand Aiko Tezuka  zum textilen Stoff, von der Leinwand zur Wirklichkeit der verwobenen Fäden. Käufliche Stoffe, oft industrielle Massenwaren, aber auch in Auftrag gegebene Textilien liefern das lebendige Material der Künstlerin. Seinen Mustern, modernen und historischen, östlichen wie westlichen zieht sie die Fäden, um sie anschließend neu zu arrangieren - zu Kordeln, Bildern, Arrangements oder Installationen. Textilen Metamorphosen gleich verwandeln sie sich dabei, ohne ihnen etwas zu nehmen oder hinzuzufügen. ... read more

AIKO TEZUKA 手塚 愛子

Von der Malerei fand Aiko Tezuka  zum textilen Stoff, von der Leinwand zur Wirklichkeit der verwobenen Fäden. Käufliche Stoffe, oft industrielle Massenwaren, aber auch in Auftrag gegebene Textilien liefern das lebendige Material der Künstlerin. Seinen Mustern, modernen und historischen, östlichen wie westlichen zieht sie die Fäden, um sie anschließend neu zu arrangieren - zu Kordeln, Bildern, Arrangements oder Installationen. Textilen Metamorphosen gleich verwandeln sie sich dabei, ohne ihnen etwas zu nehmen oder hinzuzufügen. Und sie beginnen zu erzählen, werden gesprächig, manchmal laut, manchmal leise. Die verwobene Geschichte der Herkunft ihrer Muster, Farben und Fertigung wechselt über in eine neue Geschichte mit textiler Matrix. Jeder Schuss eine Minute, jede Kette eine Stunde ergibt Jahrhunderte einer komplexen Zeit-Geschichte zwischen gestern und heute, zwischen Auflösung und Neubildung, zwischen Feudalwesen und kapitalistischer Wirtschaftsordnung.

In ihrer Arbeit „Rewowen” (2005) verknüpft Aiko Tezuka  zwei verschiedene und getrennte Stoffe miteinander, in dem sie ihre offen gelegten Fäden neu verwebt. An der linken wie rechten Seite zeigen sich noch ihre ursprünglichen Muster, die sich bald nach kurzer Strecke in ihre einzelnen Fäden auflösen und zu einem fest verwobenen Stoff in der Mitte verdichten. „Rewowen” gleicht einem stabilen Mischling, einer gediegenen Kreuzung, einem nobilitierten Bastard zweier Eltern unterschiedlicher Herkunft.

In den vier Arbeiten der Serie Certainty/Entropy wiederholt und potenziert sich das Motiv von Hybridisierung und Kreuzung. Mit ihr entwarf Aiko Tezuka zum erstenmal eigene Stoffe. Dabei griff sie auf historische indische, englische und japanische Vorbilder zurück, ebenso auf Entwürfe von Peranakan-Ethnien, die sich aus interkulturellen Ehen gleicher Herkunftsländer zusammensetzen. Singapur, wo der Künstlerin die Idee zu diesen Entwürfen kam, ist traditionell von Beziehungen zu diesen Ländern als auch von Peranakan-Ethnien geprägt. In die Gewebe fügte sie zudem ein zweites, mehr untergründiges Gewebe ein, jedoch mit aktuellen Motiven in Form von Piktogrammen oder Outline-Zeichnungen.  Sie zeigen gegensätzliche Motive wie Uterus und Radioaktivitäts-Zeichen, den Schriftzug einer Kreditkarte oder ein Bio-Siegel. Mehrere Ethnien und Zeiten, historische wie aktuelle Gegensätze, Widersprüche und Ambivalenzen werden dadurch mit- , in- und übereinander zu einer einzigen Wirklichkeit verwoben. Ein letzter Eingriff löst das Gewebe in seiner Mitte zu runden bis ovalen Formen erneut auf. Gleich Wassertropfen mit ihrem Vergrößerungseffekt holen sie das Gewebe nah ans Auge, indem sie es gleichzeitig mit Unschärfe „verwässern”. Sie dekonstruieren, was zuvor rekonstruiert wurde und folgen darin den generellen Vorgaben des Konzepts der Künstlerin.

Dekonstruktion und Rekonstruktion nicht nur materiell, sondern auch ideell vorgenommen zeichnet ebenso die beiden Arbeiten der Serie „Lessons for Restauration” aus. Bei ihnen handelt es sich um textile Massenware für touristische Zwecke, bedruckt mit Ikonen, populären Meisterwerken der jeweiligen Kultur, unter anderem der italienischen Renaissance. Es sind Stoffe, die sich Japaner gerne von ihrer Europa-Reise mit nachhause nehmen. Diesem Kulturexport verleiht  Aiko Tezuka seine hybride Pointe, indem sie erneut ihre Mitte zu optischen Linsen ähnlichen Flächen auflöst. Die farbige Tiefe einer Renaissance-Zentralperspektive in der Mitte „versperrt” nun das flächige Schwarz-Weiss-Muster des aufgelösten Stoffes. Als hätten sich mitten in der Renaissance vage Spuren fernöstlicher Kalligraphie eingeschlichen.

Aiko Tezuka lebt und arbeitet in Berlin,  2013 war sie Stipendiatin des dortigen Künstlerhauses Bethanien. Text: Wolf Jahn

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