07.07.2020
Es gibt verschiedene Wege: Ich finde Motive, die im schummerigen Licht schön aussehen würden. Ich suche auch nach Figuren, die in Kombination mit den jeweiligen Motiven eine interessante Wirkung entfalten. Wenn ich Manga von Hokusai (Skizzen von Hokusai) betrachte, habe ich oft das Gefühl, dass die Charaktere dort jeden Augenblick in Bewegung geraten. Ich hatte die Idee, da eine interessante Situation einzubauen und interessantes entstehen zu lassen; so entstand diese Serie.
Woher kommt die Figur in deiner Arbeit „Gluttony / Völlerei“?
Was das Bild "#139 大食 (Gluttony / Völlerei), 2018" angeht, das ich 2018 für die Ausstellung „small is beautiful“ (in der Mikiko Sato Gallery) angefertigt hatte, habe ich aus dem Bild „Gekka tanukizu" (übersetzt "Tanuki* unter dem Mond") von Shohaku Soga (japanischer Maler aus der mittleren Edo-Zeit, 1730–1781) zitiert. In diesem Werk ist ein Tanuki im Mondlicht zu sehen, der fröhlich auf seinem Bauch trommelt. Vermutlich entstand das Bild, als Shohaku Anfang 30 war; mehr weiß man darüber nicht. Dieses Tanuki-Bild hatte ich also schon länger in meinem Hinterkopf und wollte es in einer meiner Arbeiten auftauchen lassen. Den Titel habe ich aus den sieben Todsünden entnommen.
*Tanuki: japanischer Maderhund / Waschbär
Gekka tanukizu von Shohaku Soga
Wie kamst du auf Shohaku Soga?
Ich begegnete den Werken 2005 in einer Ausstellung im Kyoto National Museum. Der damals als „Häretiker“ bekannt gewordene Shohaku Soga fügte Werken anderer Meister einige Pinselstriche hinzu und besiegelte zusätzlich mit seinem Stempel. Diesen für damalige und heutige Zeit anmaßenden Akt führte er auf sehr erhabene und freie Art und Weise. Ich fühlte mich besonders hingezogen zu seiner einzigartigen Ausstrahlung. In meinen Arbeiten setze ich in völlig arglose Alltagsszenerien diese Charaktere hinzu, die ihrer Umgebung völlig unähnlich sind; Es ist eine Hommage an den Meister Shohaku Soga, der eben sehr frei gemalt hat.
In anderen Bildern sind Zitronen, Croissants oder Weingläser in etwas dunkel geratenem Licht zu sehen (siehe Bildergalerie hier). Dem Betrachtenden kommen da vielleicht verschiedene Assoziationen in den Sinn: Zum Beispiel „Lob des Schattens“, ein Essay des japanischen Schriftstellers Junichiro Tanizaki, der darin die Rolle der Dunkelheit und des Schattens in der japanischen Ästhetik erörtert. Ein anderer möglicher Gedanke wäre, dass in Haruki Murakamis Romanen auch auffallend oft „universelle“ Gerichte wie Sandwich oder Toast auftauchen statt lokal anmutender Gerichte wie Nudelsuppen. Die Zitrone mit dem dunklen Hintergrund lässt an Stillleben mit Früchten aus dem 17. Jahrhundert denken, etwa aus Holland.
Dass ich mit einem dunklen Hintergrund arbeite, ist von der Barockmalerei beeinflusst. Ich hatte als Kind zuhause Bildbände über westliche Malerei, die etwa die Renaissance bis Picasso umfassten. Darin mochte ich am liebsten die Barockmalerei, etwa von Georges de la Tour, Vermeer und Caravaggio. Der Reiz der Barockmalerei besteht für mich unter anderem in der Verschmelzung von dieser meisterhaften handwerklichen Fertigkeit, so gar keine einzelnen Pinselstriche mehr erkennen zu lassen und der künstlerischen Kreativität.
Was die Zitronen als Motiv angeht, habe ich – vor dem Hintergrund, dass das Motiv oft in der Barockmalerei auftaucht – natürlich bewusst gewählt. Und dass in meinen Arbeiten oft andere "westliche" Motive wie Weingläser und Brot auftauchen, ist auch von der Barockmalerei bzw. westlichen Malerei beeinflusst. Aber darüber hinaus finde ich es interessant, gegensätzliche Dinge, z.B. die östliche Kultur wie Hokusai oder Shohaku Soga und die westliche Kultur wie Weingläser, oder Edo-Ära und die heutige Zeit, oder flache, zweidimensionale Charaktere und realistisch gemalte Motive, auf einer Bildfläche verschmelzen zu lassen.
Mit den Werken von Haruki Murakami und Junichiro Tanizaki kenne ich mich nicht aus, aber ich finde es interessant, meine Arbeiten mit "Lob des Schattens" zu verbinden. Natürlich lebe ich in einem anderen Zeitalter als Tanizaki, aber was die Ästhetik in der östlichen Kultur angeht, kann es sein, dass da Gemeinsamkeiten zu finden sind. Ich glaube, vereinfacht gesagt, behauptet Tanizaki, dass man in der westlichen Ästhetik alle Ecken eines Raums hell ausleuchten würde, wogegen die japanische Ästhetik in Schatten bestünde, nur mit natürlicher Lichtquelle oder einer Papierlaterne beleuchtet.
Auch in der Malerei könnte man sagen, dass in der westlichen Ästhetik grundsätzlich die Bildfläche bis zu den Rändern ausgemalt wird, wogegen die Schönheit nach östlicher Ästhetik, allen voran in der Tuschmalerei, gerade in den unausgefüllten Räumen besteht. Mit dem dunklen Hintergrund bei meinen Arbeiten möchte ich auch die Schönheit des leeren Raums zur Geltung bringen.